Sonntag, 12. Mai 2019

Wolfgang Schorlau


Ich liebe Verschwörungstheorien. Die Geschichte, die ich hier empfehlen will, ist ganz dicht an den Fakten, nämlich an dem, was in den Akten steht, die die Polizeibehörden angelegt haben. Allerdings stimmt das leider nicht mit dem überein, was den Untersuchungsausschüssen berichtet wurde. Welchen Untersuchungsausschüssen? Denen, die sich mit den NSU-Verbrechen befasst haben. Es geht um einen Krimi, in dem der Private Ermittler Dengler – einst Geheimdienstler – den Auftrag erhält „Klären Sie, wer Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos getötet hat “. Ein üppiger Vorschuss in bar – den Auftrag kann man nicht ablehnen, wenn  man fast pleite ist.
Dengler stellt die Fakten zusammen, die man überall finden kann: Die beiden haben am 4. November 2011 den Tod gefunden. Böhnhardt von Mundlos erschossen, und Mundlos hat Selbstmord begangen – vor den Ohren von zwei Polizisten, die den Camper, den beide benutzten, gestellt hatten. Zwischen Mord und Selbstmord hatte Mundlos noch den Camper in Brand gesetzt. Kann man nachlesen.
Aber Olga, die Freundin von Dengler, sagt: „Nee, das kann nicht stimmen, sieh dir die Zeitangaben an, die die Beamten in die Akten geschrieben haben.“ Dengler rechnet: Genau 20 Sekunden liegen zwischen dem Auftauchen der Beamten am Ort und dem letzten Schuss. In diesen knappen Sekunden sollen sich die beiden zum Selbstmord und der Brandlegung entschlossen und das Ganze auch ausgeführt haben. Wer glaubt das? Nur die Leute in den Untersuchungsausschüssen. Und natürlich die Öffentlichkeit, bis auf die, die Artikel in der Welt oder in der ZEIT zum Thema gelesen haben.


Von dem Punkt an wird der Krimi außerordentlich spannend. Man bekommt vorgeführt, wie Geheimdienste arbeiten. Und es fällt einem der Titel des Buches ein: Die schützende Hand. Wer war das wohl, der den Morden zugesehen hat? Zehn Morde immerhin, bei denen niemand auf die Idee kam, sie könnten einen politischen Hintergrund haben. Irgendjemand sagt: Leider eine etwas brutale Art. V-Leute auszuschalten, die zu viel verraten könnten. Was hat man wohl Beate Zschäpe versprochen, damit sie so eisern schweigt, wie sie es getan hat? Oder was hat man ihr angedroht?
Ich schwankte ständig zwischen Glauben und Zweifel. Die Recherchen des Autors –  Manfred Schorlau  – sind sehr gut dokumentiert: Zu allen erwähnten Zeitungsmeldungen gibt es Links, man kann sich über beigefügte Fotos über wandernde Totenflecken und Totenstarre informieren. Stegdra kann oder muss nicht der Ort sein, an dem die beiden Verbrecher starben.
In der ZEIT vom 2. Mai 2019 (Nr. 19) las ich in der Rubrik Recht & Unrecht den Artikel „Das vergessene Opfer des NSU“. Schon 1999 gab es ein Attentat in Nürnberg. Erster Eintrag in der Akte: Kein politisches Motiv erkennbar. Ein naher Bekannter des jungen Türken zeigte ihn – laut Akteneintrag - an, das Attentat selbst inszeniert zu haben. Der betroffene Mann ist offiziell nie darüber informiert worden, dass es eine Tat des NSU war. Die schützende Hand gab es von Anfang an.
Was ich natürlich auch gern wissen würde: Wozu brauchte man diese NSU-V-Leute? Wenn - ja, wenn die "Fakten" stimmen.




von Wolfgang Schorlau | 6. April 2017










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